Ich setze mich ein für eine Welt, in der Vielfalt anerkannt und wertgeschätzt wird und nicht für Spott und Hetze sorgt.
Erstes queerpolitisches Resümee und Ausblick
26.07.2022 Die geschlechtliche Selbstbestimmung für alle inter-, trans- und nicht-binären Menschen in dieser Legislatur zu realisieren, ist ein wichtiges Vorhaben der Ampel-Koalition. Mit der Veröffentlichung der Eckpunkte durch die Familienministerien Lisa Paus und den Justizminister Dr. Marco Buschmann sind wir diesem Ziel ein Stück nähergekommen.
Begleitet wird dieser Entwicklungsprozess rechtlicher Bedingungen für die Selbstbestimmung leider von einem impulsiven und vielfach hassmotivierten Diskurs. Dabei wird vorgeschoben, dass die Gewährung von Selbstbestimmungsrechten für Menschen, die nicht der Fremdzuordnung bei ihrer Geburt zugehörig sind, einher gehen würde mit einem verminderten Schutz von Kindern und cisgeschlechtlichen Frauen. Anstatt die Gemeinsamkeiten im Einsatz gegen patriarchischer Unterdrückungs- und Benachteiligungsstrukturen zu suchen, werden nicht-cisgeschlechtliche Personen durch diese Anfeindungen (erneut) massiv kriminalisiert und stigmatisiert. Denn diese Vorwürfe sind nichts weiter als empirisch haltlose Versuche von rechtskonservativer und rechtspopulistischer Seite, nicht-cisgeschlechtliche Menschen zu diskreditieren und ihre Selbstbestimmung entsprechend der Menschenrechte zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund sind die öffentlich eindeutigen Positionierungen für eine geschlechtliche Selbstbestimmung von inter-, trans- und nicht binären Personen von Kinderschutzbund und der Deutsche Frauenrat sehr hilfreich. Denn sie zeigen auch, dass es sich hier um eine Minderheit handelt, die gegen die Selbstbestimmung nicht-cisgeschlechtlicher Personen agiert. Für eine sachliche, differenzierte und wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung ist zu diesem Thema die Informationsbroschüre des Bundesverband trans* und dem LSVD zu empfehlen.
Mit der Veröffentlichung der Eckpunkte wurde auch deutlich gemacht, dass der medizinische Bereich für inter-, trans- und nicht binäre Menschen weiterhin getrennt von Vornamens- und Personenstandsänderungen geregelt wird. Unter welchen Voraussetzungen transgeschlechtliche Menschen medizinische Maßnahmen bewilligt bekommen, entscheiden allein Ärzt*innen unter Vorgabe von den medizinischen Fachgesellschaften erarbeiteten Leitlinien. Die Kassen müssen auf Grundlage von Bundessozialgerichts-Urteilen auch heute schon die Kosten für medizinische Maßnahmen übernehmen. Dennoch gibt es im Bereich der medizinischen Versorgung strukturelle Diskriminierungen, die dazu führen, dass transgeschlechtlichen Menschen der Zugang zu notwendigen medizinischem Maßnahmen erschwert bis unmöglich gemacht werden. Wir wollen daher den Rechtsanspruch gesetzlich verankern, dass die Kosten, für die nach den Vorgaben der Medizin notwendigen geschlechtsangleichenden Behandlungen, vollständig von der GKV übernommen werden. Das erfolgt aber in einem eigenen Vorhaben und wird nicht Bestandteil der im Selbstbestimmungsgesetz vorgesehenen Regelungen zur amtlichen Personenstandregelung.
Betont werden soll im Hinblick auf gesundheitliche Erfordernisse von inter-, trans- und nicht-binären Menschen auch, dass hier ein differenzierter Blick notwendig ist. Denn einerseits soll ein rechtlicher Anspruch auf medizinische Leistungen im Rahmen geschlechtlicher Veränderungsprozesse verankert werden. Andererseits gilt es zu berücksichtigen, dass nicht-cisgeschlechtliche Menschen aufgrund einer marginalisierten gesellschaftlichen Positionierung spezifischen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind, wie in zahlreichen Studien bereits belegt werden konnte.
Von diesen Erkenntnissen ausgehend, werde ich meine weitere politische Arbeit im Bundestag gestalten.
Allgemein:
Queere Menschen [1] sind in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts immer noch gesellschaftlichen Bedingungen ausgesetzt, die eine Benachteiligung bedeuten. Die bayernweite Untersuchung der Hochschule Landshut ‚Queeres Leben in Bayern‘ hat beispielsweise herausgefunden, dass insgesamt knapp jeder zweite queere Mensch in Bayern schon einmal Diskriminierung im Zusammenhang mit seiner nicht-heterosexuellen und/oder nicht-cisgeschlechtlichen Orientierung erlebt hat. Am häufigsten sind davon trans*geschlechtliche und divers*geschlechtliche Menschen betroffen, gefolgt von lesbischen Frauen. Diese Erfahrungen werden auch in vielen weiteren Studien bestätigt.
Das kann nicht mehr länger hingenommen werden! In unserem Grundgesetz haben wir bereits die Rechte verankert, um das zu ändern, wir müssten uns nur endlich daran halten. In Artikel 1 steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Artikel 2 sagt: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ Und Artikel 3 lautet: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Es braucht also für niemanden Sonderrechte, wie ein häufiger Vorwurf lautet, sondern wir müssen uns nur an die Grundrechte halten. Aber ein Blick in die Vergangenheit zeigt sehr deutlich, dass gerade queere Menschen sich diese Rechte immer erst vor dem Bundesverfassungsgericht erstreiten müssen. Das kostet jedes Mal sehr viel Zeit und eine Menge Geld.
Ich setze mich deswegen dafür ein, dass Diskriminierungen und Benachteiligungen für lesbische, schwule, bisexuelle und alle anderen nicht-heterosexuell orientierten Menschen sowie divers-, trans- und intergeschlechtliche Menschen weiter abgebaut werden. Und wenn die gleichen Rechte bestehen, und zwar genauso, wie sie im Grundgesetz verankert sind, dann geht es um die gleichen Chancen für queere Menschen. Aber Akzeptanz kann man nicht per Gesetz verordnen und die fällt leider auch nicht vom Himmel. Akzeptanz braucht Bildungs- und Aufklärungsarbeit und hier gibt es noch eine ganze Menge zu tun, dafür müssen auch entsprechende finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden.
Sämtliche Studien zeigen, die Anzahl queerer Menschen nimmt auf der ganzen Welt zu, es ist also auch vor diesem Hintergrund notwendig, hier endlich aktiv zu werden, um diskriminierungsfreie gesellschaftliche Bedingungen zu fordern und zu fördern.
[1] Mit dem Oberbegriff ‚Queer‘ sind alle Menschen gemeint, die nicht heterosexuell und/oder nicht cisgeschlechtlich sind.
(Foto: Rene Baker | Unsplash)